Eine verlassene Geisterstadt in Deutschland.
Auch in Deutschland gibt es Geisterdörfer und -städte. (Bild: mage.space)

Geisterstädte sind für viele von uns der Stoff aus Filmen und Romanen. Wir verbinden diese Orte mit dem Unheimlichen. Faszinierend ist ebenso die Frage, was dazu führen kann, dass ein besiedelter Ort mit der Zeit völlig menschenleer und verlassen sein kann. Tatsächlich gibt es einige besondere Geisterstädte in Deutschland. Wir zeigen diese verlassenen Stätten auf- und gehen den Spuren und Erklärungen des Verlassenseins nach.

Deutsche Geisterstädte

  • Wollseifen in der Eifel: Wollseifen, ein 800 Jahre altes Dorf in der Eifel, war im Zweiten Weltkrieg wegen seiner Nähe zur NS-Ordensburg Vogelsang stark betroffen und wurde ab 1946 als Truppenübungsplatz genutzt, wobei die Bewohner gezwungen wurden, den Ort zu verlassen. Heute ist Wollseifen eine „Geisterstadt“ mit einigen erhaltenen Gebäuden, die durch Infotafeln und Modelle auf die Geschichte des Dorfes aufmerksam machen.
  • Vogelsang in der Eifel: Ehemals eine geheime NS-Ordensburg, später eine belgische und britische Kaserne, ist Vogelsang heute ein verlassener Ort, der allerdings als „Internationaler Platz Vogelsang IP“ für Bildungs- und Kulturveranstaltungen genutzt wird.
Ehemalige Ordensburg Vogelsang am Urftsee.
Die ehemalige Ordensburg Vogelsang aus der Ferne
  • Kursdorf bei Schkeuditz: Kursdorf, etwa 14 Km nordwestlich von Leipzig gelegen, fiel der Erweiterung des Flughafens Leipzig/Schkeuditz zum Opfer. Aus dem 1497 erstmalig urkundlich erwähnten Dorf zogen 2017 die letzten Einwohner aus. Kaum verwunderlich: Denn das ehemalige Dorf ist nun mehr von der Startbahn und Landestrecke des Flughafens sowie einer ICE-Strecke umgeben.
  • Berich im Edersee: Berich, einst ein Dorf in Hessen, befand sich im heutigen Landkreis Waldeck-Frankenberg und beherbergte ungefähr 400 Bewohner. Im frühen 20. Jahrhundert wurde das Dorf aufgrund der Planung der Edertalsperre, die den heutigen Edersee bildet, aufgegeben. Die Bewohner wurden umgesiedelt und ihre Häuser dem Erdboden gleichgemacht, um Platz für das Stauwasser zu schaffen. 1914 wurde das Gebiet schließlich überflutet und das Dorf verschwand unter der Wasseroberfläche. Heute sind nur noch wenige Spuren von Berich vorhanden. Bei niedrigem Wasserstand werden Teile der alten Dorfstraße, des Friedhofs und der Kirche sichtbar.
Reste eines Gebäudes in Berich am Edersee.
Überreste des Dorfes Berich am Edersee
  • Gruorn: Die 1095 erstmals genannte Siedlung in Baden-Württemberg zählte etwa 440 Einwohner, als die Bewohner 1937 zwangsumgesiedelt wurden. Denn das Dorf sollte als Truppenübungsplatz dienen. Das Übungsgelände wurde 2006 aufgelöst. Nun sind Gruorn und der benachbarte Gutsbezirk Münsingen wieder der Öffentlichkeit zugänglich, wie auch die leerstehenden Gebäude.

Absiedelung von Gemeinden für Truppenübungsplätze

Die Absiedlung von Dörfern und Städten für militärische Zwecke, insbesondere als Truppenübungsplätze ist ein wiederkehrendes Motiv bei der Entstehung von „Geisterstädten“. In solchen Fällen werden die Bewohner der betroffenen Gebiete gezwungen, ihre Wohnstätte zu verlassen, um Platz für militärische Einrichtungen zu schaffen.

In Deutschland gibt es mehrere Beispiele für solche Absiedlungen: Das bereits erwähnte Dorf Wollseifen in der Eifel, das nach dem Zweiten Weltkrieg geräumt wurde, um als Truppenübungsplatz für britische und belgische Streitkräfte zu dienen. Ähnliche Fälle gab es in Gruorn (siehe oben), in der Lüneburger Heide und auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne.

Auch die Wiedereingliederung solcher Gebiete in die zivile Nutzung ist herausfordern. Oftmals ist es nötig, Munition zu räumen und die natürliche Umgebung wiederherzustellen. In einigen Fällen, wie in Wollseifen, haben ehemalige Bewohner und andere Interessengruppen Anstrengungen unternommen, um die Erinnerung an die vergangenen Orte lebendig zu erhalten.

Weitere interessante Artikel

Ein alternatives Schicksal: Vereingemeindung von kleinen Städten und Dörfern

Es gibt aber auch den gegensätzlichen Vorgang zu den „Geisterstädten“. Urbanisierung prägt das Gesicht Deutschlands: Kleine Städte werden zu Stadtteilen großer Metropolen. Hierbei wird also die äußere Identität einer Stadt abgelöst, ohne dass es mit dem Wegzug der Einwohner einhergeht.

Ein Beispiel dafür ist Eppendorf, heute ein Teil von Hamburg, oder Bockenheim, jetzt ein Stadtteil von Frankfurt. Doch ihre Identität ist nicht verloren. Historische Gebäude, alte Straßen und Plätze sind stille Zeugen ihrer Geschichte. Wer tiefer forscht, entdeckt hinter viele Spuren, die auf eine reiche eigene Geschichte der Dörfer und Stadtteile hindeutet.

Auch Cannstatt, heute ein Stadtteil von Stuttgart, hat eine tiefe historische Verwurzelung. Ursprünglich war es eine eigenständige Stadt, gegründet von den Römern, und blickt auf eine lange Geschichte zurück, die bis ins Jahr 90 n. Chr. reicht. Cannstatt beherbergt eine der ältesten bekannten Thermalquellen in Europa, die schon von den Römern genutzt wurden. Dieser historische Hintergrund spiegelt sich noch heute in der Architektur und Kultur des Stadtteils wider. Der Cannstatter Wasen etwa, Schauplatz des zweitgrößten Volksfests Deutschlands nach dem Münchner Oktoberfest, lässt noch heute erahnen, welche Bedeutung Cannstatt einmal hatte.