Rust von Mateusz Bobinski.

Vampirismus als Sucht: Ein Gespräch mit Mateusz Bobiński über seinen Debütroman „Rust“

In seinem düsteren Debütroman „Rust“ entkleidet der Autor Mateusz Bobiński den Vampirmythos jeglicher Romantik und zeigt ihn als das, was er im Kern sein kann: eine Metapher für Sucht, Kontrollverlust und die schleichende Erosion der eigenen Menschlichkeit. Im Interview spricht er über die Inspirationen hinter seinem Werk, die Symbolik des Verfalls und warum die Themen Sucht und Selbstverlust diese erste Geschichte für ihn unumgänglich machten. Das Gespräch wurde aus dem Englischen übersetzt. Hier geht es zur Originalversion des Interviews.

Hallo Mateusz, es ist toll, mit Ihnen zu sprechen! Glückwunsch zum neuen Buch! Um mit einer persönlichen Frage zu starten. Sie sind ein Familienmensch und leben im sonnigen Malta. Was ist Ihre persönliche Verbindung zum Thema Vampirismus?

Mateusz Bobiński: Danke für die Einladung. Es freut mich sehr, dass „Rust“ Ihnen Schauer über den Rücken gejagt hat (und ich hoffe, es hat Sie nicht zu düster zurückgelassen!). Was Malta betrifft: Es ist sonnig, die Menschen sind freundlich, es gibt dramatische Felsstrände und eine wunderbar vielfältige Gastronomieszene. Nach ein paar Jahren beginnt man natürlich, auch die Schattenseiten eines jeden Ortes zu sehen, aber das ist eine Geschichte für eine andere Zeit.

Der Keim für „Rust“ ist erst vor wenigen Monaten wirklich aufgegangen, obwohl die Themen Sucht, Verzweiflung und Kontrollverlust schon seit Jahren in mir brodeln. Ich wollte den Vampirismus seines Glamours entkleiden – kein Spaziergang im Sonnenlicht, keine Superkräfte –, sondern nur den rohen, zersetzenden Horror der Menschlichkeit, die Tropfen für Tropfen erodiert.

Rost ist von Natur aus langsam, doch die Verwandlung Ihres Protagonisten ist gewaltsam. Was also ist der „Rost“ in diesem Buch – ein langer Prozess oder ein plötzlicher, unumkehrbarer Bruch?

MB: Stellen Sie sich Rost auf einer gusseisernen Pfanne vor: Die Oxidation schleicht sich langsam ein, und eines Tages entdeckt man die Vernachlässigung von Jahren in ein paar abblätternden Stellen. In „Rust“ ist die Korrosion von Jonathans Seele genauso heimtückisch. Er wacht mit dem Verlangen nach Blut auf – ein kleines, harmloses Laster –, und einen Monat später stellt er fest, dass er doppelt so viel pro Tag konsumiert und dabei seine Menschlichkeit verliert.

Der Vampirismus in meiner Variante beginnt als starker, aber irgendwie beherrschbarer Impuls, verwandelt sich aber Tropfen für Tropfen unaufhaltsam in etwas Monströses. Es ist sowohl ein allmählicher als auch ein brutal transformativer Prozess.

Rust ist jetzt auf Amazon erhältlich (#Werbung*)

Ist der Hunger in „Rust“ eine äußere Kraft, die die Figur überwältigt, oder ist er etwas, das schon immer in ihm schlummerte und nur darauf wartete, geweckt zu werden?

MB: Jonathan war bereits hungrig – hungrig nach Anerkennung, nach Verbindung, nach Sinn. Die Verwandlung lenkte diesen Hunger lediglich auf Blut um. Vampirismus verstärkt weder die Tugenden noch die schlechten Eigenschaften eines Menschen; er legt die Dunkelheit in jedem frei, indem er die Menschlichkeit abstreift. Ich habe Vampirismus als Metapher für jede verzehrende Sucht verwendet: Das Monster wird nicht über Nacht geboren, sondern durch Kräfte geweckt, die wir nicht vollständig kontrollieren.

Für die düstere, existentielle Stimmung von „Rust“ ließ sich Mateusz Bobinski von mehreren Werken inspirieren. Zu seinen größten Einflüssen zählt er John Ajvide Lindqvists Roman „So finster die Nacht“ für seine ungeschönte Darstellung des Vampirismus. Weitere Inspirationen waren Michael Ciminos Film „Die durch die Hölle gehen“ wegen seiner Darstellung von Traumata, Abel Ferraras „The Addiction“ für seinen rohen, allegorischen Ansatz und Jim Jarmuschs „Only Lovers Left Alive“ für seinen atmosphärischen Stil.

Das Buch hat eine dunkle, existenzielle Stimmung, die an bestimmte Werke aus Film und Literatur erinnert. Welche Autoren oder Regisseure waren eine Inspiration für Sie bei der Erschaffung dieser Welt? Fühlen Sie sich eher dem klassischen Noir verbunden oder vielleicht den Filmen von Cronenberg oder Lynch?

MB: Meine größten Inspirationen waren, wenn ich danach suchen müsste: „So finster die Nacht“ (John Ajvide Lindqvist / Tomas Alfredson) für seinen schonungslosen, intimen Blick auf den Vampirismus, „Die durch die Hölle gehen“ (Michael Cimino) für seine Darstellung von Traumata und gebrochenen Psychen, „The Addiction“ (Abel Ferrara) für seinen rohen, allegorischen Ansatz zum Vampirismus als Sucht und Only Lovers Left Alive (Jim Jarmusch) für seinen trägen, atmosphärischen Stil.

Die von Ihnen beschriebene Verwandlung ist gleichzeitig ein Akt der Zerstörung und der Schöpfung. Wie wichtig war es für Sie, diese Spannung zwischen Zerstörung und einer perversen Form der Geburt zu erforschen?

MB: Jonathans Verwandlung ist der Akt eines wankelmütigen Gottes: Bei der Erschaffung einer neuen Kreatur muss etwas vom alten Selbst zerstört werden. Ich wollte zeigen, dass jede Schöpfung ein Opfer erfordert – dass Geburt und Tod in jeder Metamorphose miteinander verwoben sind.

Ist der Vampirismus in dieser Geschichte der ultimative Fall der Menschheit oder eine tragische Flucht vor der Leere und Oberflächlichkeit des modernen Lebens?

MB: „Rust“ ist ein kleines, intimes Porträt eines Fragments von Jonathans Reise – sowohl vor als auch nach der Veränderung. Es versucht nicht, in großem Maßstab zu beantworten, ob Vampirismus ein Fall oder eine Flucht ist; es fragt einfach, wie es sich anfühlt, seine Menschlichkeit zu verlieren, einen Durst nach dem anderen.

Das Buch verwendet starke, minimalistische Symbole, wie die leere Hundeleine. Wie wichtig ist die Symbolik des Details in Ihrer Erzählung – ein Detail, das mehr aussagen kann als eine lange Szene?

MB: Ich bewundere Tschechows Prinzip: Wenn man ein Gewehr an der Wand zeigt, muss es auch losgehen. Ich versuche, kleine Details so in die Erzählung einzuweben, dass sie später nachhallen. Ein einziges Bild – eine Leine, ein zersplitterter Spiegel – kann eine emotionale Wucht tragen, die seitenlange Erklärungen überdauert.

Die Zeit im Roman scheint sich aufzulösen und zu „stottern“. Warum ist die Zerstörung eines normalen Zeitgefühls ein so entscheidendes Element dieser Geschichte?

MB: Für jemanden im Griff der Sucht verzieht sich die Zeit: Tage verschwimmen, Momente dehnen sich oder kollabieren. Indem ich die Zeit in der Erzählung fragmentiere, wollte ich die Leser diese Desorientierung an der Seite von Jonathan spüren lassen.

Sie haben Philosophie und Theater studiert. Wie haben diese Bereiche Ihren Stil und Ihre Entscheidung beeinflusst, eine Geschichte durch Atmosphäre und Andeutungen zu erzählen, anstatt nur durch Handlung?

MB: Die Philosophie hat mich gelehrt, dass ein einziges Wort oder Schweigen Bedeutungsschichten tragen kann; das Theater hat mir gezeigt, wie Subtext und Gesten lauter sprechen können als Dialoge. Ich zielte auf Ökonomie ab: weniger Worte, aber jedes einzelne so gewählt, dass es Emotionen und Stimmungen hervorruft.

Warum haben Sie für Ihr literarisches Debüt ein so düsteres und schwieriges Thema gewählt? Was hat dazu geführt, dass diese Geschichte zuerst erzählt werden musste?

MB: Kein Thema ist von Natur aus schwierig, wenn man es sorgfältig vorbereitet, recherchiert und gestaltet. Ich habe „Rust“ gewählt, weil seine Themen der Sucht und der Erosion des Selbst tief in mir nachhallten – und weil ich mich der Rohheit dieses Abstiegs stellen wollte, ohne ihn zu beschönigen.

Letzte Frage: Gibt es in der von Ihnen geschaffenen Welt einen Weg zurück für jemanden, der eine solche Verwandlung durchgemacht hat? Oder ist die einzige Form der Erlösung die vollständige Akzeptanz des Monsters, zu dem man geworden ist?

MB: Das ist eine ausgezeichnete Frage – eine, über die ich selbst noch nachdenke. Vielleicht finden Ihre Leser Hinweise in meinem nächsten Buch, das weiterhin die Themen Besessenheit, Sucht, Rache und die Möglichkeit der Transformation erforscht.

*HINWEIS ZUR TRANSPARENZ: Diese Seite enthält Werbung und Produktlinks. Diese sind mit * gekennzeichnet Wird ein Kauf über einen solchen Link getätigt, erhalte ich als Webseiten-Betreiber eine Provision. Die Provision beeinflusst jedoch nicht den Kaufpreis. Es ist mir wichtig, zu betonen, dass ich meine Meinungen und Bewertungen auf dieser Seite unabhängig von möglichen Provisionen darlege.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert