Eine spektakuläre Entdeckung in der chinesischen Region Xinjiang wirft neue Fragen zu den Bestattungsritualen entlang der Seidenstraße auf. Archäologen haben das Grab einer jungen Frau freigelegt, deren Zähne mit dem hochgiftigen Mineral Zinnober rot gefärbt wurden. Der Fund ist weltweit einzigartig – und bleibt rätselhaft.
Die Untersuchung der sterblichen Überreste zeigt: Die „Rote Prinzessin der Seidenstraße“, wie die Forscher sie nennen, lebte vor rund 2.200 Jahren. Ihr Grab befindet sich in einem Friedhof nahe der Stadt Turpan, einer bedeutenden Handelsstation an der Seidenstraße. Doch warum wurden ihre Zähne mit einer Substanz behandelt, die in der Antike zwar geschätzt, aber auch gefürchtet war?
Geheimnisvolle rote Zähne
Zinnober, ein leuchtend rotes Quecksilbersulfid, war in vielen alten Kulturen ein begehrter Rohstoff. Es wurde für Kunstwerke, religiöse Rituale und sogar in alchemistischen Experimenten genutzt. Besonders in China war das Mineral mit Vorstellungen von Macht und Unsterblichkeit verbunden – trotz seiner toxischen Wirkung.
Dass Zinnober ausgerechnet auf den Zähnen einer Verstorbenen aufgetragen wurde, ist bislang beispiellos. Die Forscher schließen nicht aus, dass die Färbung zu Lebzeiten wiederholt erneuert wurde. Doch welchem Zweck diente sie?
Denkbar ist eine rituelle Bedeutung. In schamanistischen Traditionen symbolisierte die Farbe Rot Leben und Wiedergeburt. Möglicherweise wurde die Frau in einer Zeremonie auf das Jenseits vorbereitet. Eine andere Erklärung könnte im Schönheitsideal der damaligen Zeit liegen: Rote Lippen galten schon früh als attraktiv – warum nicht auch gefärbte Zähne?
Rätselhafte Herkunft des Zinnobers
Ein weiteres Mysterium ist die Herkunft des Minerals. In der Region Turpan gibt es keine natürlichen Zinnobervorkommen. Die Substanz musste also über weite Strecken herangeschafft worden sein – möglicherweise aus Südwestchina, Westasien oder sogar Europa.
Die Seidenstraße war in jener Zeit eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt. Neben Seide, Gewürzen und Edelmetallen könnten auch Pigmente wie Zinnober transportiert worden sein. Die „Rote Prinzessin“ wäre damit nicht nur ein archäologisches Rätsel, sondern auch ein Zeugnis für den kulturellen Austausch entlang der Handelswege.
Gefahr ohne Folgen?
Überraschend ist, dass die Forscher in den Knochen der Frau keine Spuren einer Quecksilbervergiftung nachweisen konnten. Dabei ist bekannt, dass Zinnober bei längerer Exposition gravierende gesundheitliche Schäden verursachen kann – darunter Zittern, Schlaflosigkeit und neurologische Störungen.
Womöglich war die Kontaktzeit zu kurz, um messbare Rückstände im Körper zu hinterlassen. Oder es wurden besondere Methoden angewandt, um die Gefahren zu minimieren.
Die „Rote Prinzessin der Seidenstraße“ bleibt ein archäologisches Rätsel. Ihr Grab erzählt von einer Zeit, in der sich Kulturen begegneten, Handel florierte – und Menschen bereit waren, Schönheit oder Spiritualität über die eigene Gesundheit zu stellen.
Wissenswerte Fakten
Fakt | Details |
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Alter des Grabes | Ca. 2.200 Jahre |
Fundort | Turpan, Xinjiang, China |
Alter der Frau | Zwischen 20 und 25 Jahren |
Zahnfärbung | Mit Zinnober (Quecksilbersulfid) |
Herkunft des Zinnobers | Vermutlich importiert über die Seidenstraße |
Gesundheitsrisiken | Zinnober ist hochgiftig, jedoch keine Vergiftungsanzeichen in den Überresten |
Vergleichbare Funde | „Rote Königin“ der Maya in Mexiko |
Quellen
Primärquelle: https://link.springer.com/article/10.1007/s12520-025-02188-5