Ein Unternehmer friert die tote Ehefrau ein – und findet eine neue Partnerin.
Im Jahr 2017 ließ der chinesische Unternehmer Gui Junmin den Leichnam seiner Frau Zhan Wenlian kryokonservieren – in der Hoffnung, sie eines Tages wiederzubeleben. Acht Jahre später lebt er mit einer neuen Frau zusammen. Der ungewöhnliche Fall wirft Fragen auf über Trauer, Technik und moralische Grenzen.
Ein technischer Eingriff gegen das endgültige Abschiednehmen
Zhan Wenlian war 48 Jahre alt, als bei ihr 2016 eine metastasierende Lungenkrebserkrankung festgestellt wurde. Als die Ärzte ihr nur noch wenige Monate gaben, entschied sich ihr Ehemann für einen Schritt, den bis dahin in China niemand gewagt hatte: Er ließ ihren Körper kryokonservieren.
Die Prozedur wurde im Shandong Yinfeng Life Science Research Institute durchgeführt. Der Körper wurde über einen Zeitraum von etwa 50 Stunden auf minus 196 Grad Celsius heruntergekühlt und in einem Stickstofftank eingelagert. Ziel war es, alle biologischen Prozesse zu stoppen, um eine mögliche medizinische Wiederbelebung in der Zukunft zu ermöglichen.
Damit wurde Zhan Wenlian zur ersten kryokonservierten Person in China. Der Vertrag zur Aufbewahrung des Körpers wurde auf 30 Jahre abgeschlossen. Fachleute weisen jedoch darauf hin, dass es bislang keinerlei wissenschaftlichen Beleg dafür gibt, dass eine Wiederbelebung solcherart konservierter Körper technisch möglich ist.
Technik hinter der Kryonik
Die Kryokonservierung senkt die Körpertemperatur auf etwa −196 °C, um alle biologischen Prozesse zu stoppen. Eingefrorene Körper werden in flüssigem Stickstoff aufbewahrt. Derzeit gibt es weltweit über 500 dokumentierte Fälle. In China wird das Verfahren seit 2017 in Jinan angeboten. Eine Wiederbelebung ist aus heutiger Sicht technisch nicht möglich.
Neue Partnerschaft mit emotionalem Vorbehalt
Zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau lebte Gui Junmin zunächst allein. Er hatte sich vorgenommen, keinem anderen Menschen nahe zu kommen, solange der Körper seiner Frau konserviert in Jinan lag. Doch ein medizinischer Notfall änderte seine Sichtweise.
Während eines akuten Gichtanfalls war Gui zwei Tage lang auf sich allein gestellt, ehe Verwandte nach vergeblichen Kontaktversuchen seine Wohnungstür aufbrachen. Dieses Erlebnis führte ihm vor Augen, wie sehr ihm menschliche Nähe fehlte. Kurz darauf lernte er über einen Bekannten Wang Chunxia kennen.
Wang stammt aus einer ländlichen Region, arbeitete früher unter anderem als Kellnerin und Friseurin. Heute lebt sie mit Gui in einem gemeinsamen Haushalt. Er beschreibt die Beziehung als „praktisch“, nicht als emotionales Gegenstück zu seiner verstorbenen Frau. Sie habe in seinem Herzen keinen Platz eingenommen – sei jedoch ein fester Teil seines Alltags geworden.
„Ich kann die Vergangenheit nicht vergessen, aber ich muss weiterleben“, sagte Gui in einem Interview. Seine neue Partnerin sei ihm wichtig – aber sie könne seine Frau nicht ersetzen.
Gesellschaftliche Reaktionen und moralische Spannungsfelder
Der Fall Gui Junmin hat in China eine breite Debatte ausgelöst. Vor allem auf dem sozialen Netzwerk Weibo äußerten sich viele Nutzerinnen und Nutzer kritisch. Während einige Verständnis für seine Situation zeigen, werfen ihm andere emotionale Widersprüchlichkeit und Selbsttäuschung vor.
Kommentare wie „Er schläft mit einer Frau und träumt von einer anderen“ oder „Emotionale Polygamie in Reinform“ prägten die Diskussion. Es wird hinterfragt, ob es ethisch vertretbar sei, eine neue Partnerschaft einzugehen, während man zugleich auf die Rückkehr einer verstorbenen Person hofft.
Darüber hinaus zeigt der Fall einen möglichen Konflikt zwischen technologischer Hoffnung und traditioneller Trauerkultur. In der chinesischen Gesellschaft hat die Bestattung, das Loslassen und die familiäre Erinnerung eine große kulturelle Bedeutung. Die Idee, einen Leichnam für Jahrzehnte einzulagern, stößt daher nicht nur auf Skepsis, sondern auch auf normative Unsicherheit.
Eine rechtliche oder ethische Regelung für solche Fälle existiert in China bislang nicht.
Chronologie der Kryonik‑Fälle
- 1967: James H. Bedford – erste bekannte Person, die kryokonserviert wurde.
- 1987: Dora Kent – Fall einer Kopferhaltung mit juristischer Kontroverse in den USA.
- 2002: Ted Williams – US-Baseballspieler, dessen Einlagerung öffentlich diskutiert wurde.
- 2011: Robert Ettinger – Mitbegründer der Kryonik, konservierte sich selbst.
- 2014: Hal Finney – Softwareentwickler und früher Bitcoin-Pionier, konserviert durch Alcor.
- 2022: Peter Eckersley – Informatiker, bekannt aus dem Bereich digitale Ethik, ebenfalls kryokonserviert.
Weitere Quellen
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