KI-Analyse: Schriftrollen vom Toten Meer älter als gedacht

Die Datierung der berühmten Schriftrollen vom Toten Meer steht vor einer möglichen Revision. Eine neue Forschung kombiniert Radiokarbonanalyse mit künstlicher Intelligenz. Das könnte unser Verständnis über die Entstehung dieser antiken Texte grundlegend verändern.

Die jüngsten Forschungsergebnisse, die in der renommierten Fachzeitschrift Plos One veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass viele der Schriftrollen vom Toten Meer älter sein könnten als bisher angenommen, was neue Fragen zur Herkunft der Texte und dem damaligen Schriftgebrauch aufwirft.

Datierungsmethoden: KI und Radiokarbonanalyse im Verbund

Bislang wurden die Schriftrollen vom Toten Meer hauptsächlich mittels Radiokarbonanalyse und Handschriftenanalyse (Paläographie) datiert. Letztere Methode birgt jedoch Unsicherheiten, da Schreibstile über längere Zeiträume koexistieren konnten.

Ein weiteres Problem bei früheren Radiokarbondatierungen war die Kontamination mit Rizinusöl. Dieses wurde in den 1950er Jahren auf die Manuskripte aufgetragen, um sie besser lesbar zu machen.

Forscher der Universität Groningen, unter der Leitung von Prof. Mladen Popović, haben nun einen neuen Ansatz verfolgt. Sie reinigten die Proben sorgfältig, um die Öl-Kontamination zu entfernen, bevor sie die Radiokarbonanalyse durchführten.

Zusätzlich entwickelten sie ein KI-Modell namens „Enoch“. Dieses Modell wurde mit digitalen Bildern von Tintenspuren und den dazugehörigen Radiokarbondaten trainiert.

Enoch ist in der Lage, Muster in der Tinte zu erkennen und so das Alter der Manuskripte präziser zu bestimmen. Dies ist ein entscheidender Fortschritt, da er eine nicht-invasive Datierungsmethode ermöglicht.

Überraschende Erkenntnisse

Die Ergebnisse der Studie sind bemerkenswert: Von 30 analysierten Proben konnten 27 erfolgreich radiokarbondatiert werden. Während zwei Proben jünger waren als die Handschriftenanalyse vermuten ließ, waren viele der Schriftrollen älter als zuvor angenommen.

Besonders interessant ist die Erkenntnis, dass zwei unterschiedliche Schreibstile, bekannt als hasmonäische und herodianische Schriften, deutlich länger nebeneinander existierten, als bisher angenommen.

Ein Highlight der Forschung ist das Manuskript 4Q114, das Verse aus dem Buch Daniel enthält. Es wurde bisher in das späte zweite Jahrhundert v. Chr. datiert. Die neue Analyse verschiebt das Alter des Manuskripts nun in die Zeit des Originalautors des Buches Daniel.

Laut Popović ist dies „wie eine Zeitmaschine“. Die Ergebnisse haben weitreichende Implikationen für die Qumran-Studien. Sie legen nahe, dass die meisten der in den Höhlen gefundenen Manuskripte nicht unbedingt am Ort Qumran selbst geschrieben wurden, da die Siedlung erst später bewohnt war

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