Anna-Kolibris, eine in Nordamerika beheimatete Vogelart, zeigen erstaunliche evolutionäre Anpassungen an das Leben in menschlicher Nähe. Insbesondere die Form ihrer Schnäbel hat sich verändert, um besser an künstliche Futterstellen in städtischen Gebieten zu gelangen. Diese Entwicklung könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Vögel eine ähnliche Beziehung zum Menschen eingehen wie Tauben – eine Form des Kommensalismus.
Schnabelveränderungen als Anpassungsstrategie
Die Schnäbel von Anna-Kolibris sind von Natur aus lang und schmal, ideal um Nektar tief aus Blütenkelchen zu saugen. Eine aktuelle Studie, die Beobachtungsdaten und Museumsexemplare der letzten 160 Jahre analysierte, zeigt jedoch eine signifikante Veränderung: Städtische Populationen der Art Calypte anna haben merklich längere und größere Schnäbel entwickelt. Diese Anpassung wird direkt mit der zunehmenden Verbreitung von Zuckertränken in Gärten und auf Balkonen in Verbindung gebracht.
Diese menschengemachten Futterquellen scheinen eine ergiebigere Nahrungsquelle darzustellen als natürliche Blüten. Interessanterweise entwickeln männliche Anna-Kolibris zudem spitzere und schärfere Schnäbel. Forscher vermuten, dass dies eine Anpassung an den Wettbewerb mit Artgenossen um den Zugang zu den begehrten Futterstellen sein könnte. Die morphologischen Veränderungen sind bemerkenswert schnell vonstattengegangen.
Die Studie belegt, dass sich die Populationen von Calypte anna bereits zwischen 1930 und 1950 deutlich unterschieden, wobei die Schnäbel in diesem Zeitraum bereits zu wachsen begannen. Innerhalb von nur etwa 20 Jahren, was ungefähr zehn Generationen dieser Vögel entspricht, hat die Evolution sichtbare Spuren hinterlassen.
Urbane Expansion und veränderte Lebensräume
Die Studie beleuchtet auch die geografische Ausbreitung der Anna-Kolibris. Parallel zur Etablierung urbaner Zentren in Kalifornien, in denen Futterstellen weit verbreitet sind, haben sich die Populationen dieser Kolibriart nach Norden ausgebreitet. Die Forscher stellten fest, dass auch die Populationsdichte von Calypte anna im Laufe der Zeit zugenommen hat.
Dieser Anstieg scheint eng mit der Verbreitung von Futterstellen und Nektar produzierenden Eukalyptusbäumen zusammenzuhängen – beides Faktoren, die durch den Menschen in die Region eingeführt wurden. Für ihre Untersuchung nutzte das Forscherteam Sichtungsdaten der Art aus allen 58 kalifornischen Bezirken zwischen 1938 und 2019.
Zusätzlich analysierten sie in Museen konservierte Exemplare. Um die Anzahl der genutzten Futterstellen im letzten Jahrhundert abzuschätzen, griffen die Wissenschaftler sogar auf alte Zeitungsanzeigen zurück. Schließlich entwickelten sie ein Computermodell, um die Expansion der Kolibris unter Berücksichtigung der künstlichen Fütterung und der Präsenz von Eukalyptusbäumen vorherzusagen.
Auch interessant
- Roboter-Taube mit fliegt ohne vertikales Heckleitwerk
- Ente in Schweizer Radarfalle geblitzt
- Reduzieren Video-Calls Einsamkeit bei Papageien?
Kommensalismus: Ein Leben an der Seite des Menschen
Diese Anpassungen deuten darauf hin, dass Anna-Kolibris möglicherweise eine engere Beziehung zum Menschen entwickeln, die als Kommensalismus bezeichnet wird. Dabei profitiert eine Art von der Nähe zu einer anderen, ohne diese direkt zu schädigen. Nicolas Alexandre, Mitautor der Studie und Genetiker bei Colossal Biosciences, formuliert es so: „Sie scheinen dorthin zu ziehen, wohin wir gehen, und verändern sich ziemlich schnell, um in ihrer neuen Umgebung erfolgreich zu sein.“
Er fügt hinzu: „Wir können uns den Anna-Kolibri als eine kommensale Art vorstellen, ähnlich wie Tauben.“ Kolibri-Futterstellen nutzen Zuckerwasser, um die Vögel anzulocken und ihnen besonders in Zeiten knapper Blütennahrung eine Energiequelle zu bieten. Einer der ältesten Nachweise für solche Vorrichtungen stammt laut der Fachzeitschrift Science aus dem Jahr 1928, obwohl sie wahrscheinlich schon früher verwendet wurden.
Generell stellen sie kein Risiko für die Art dar, solange sie regelmäßig gereinigt werden, um die Vermehrung von Bakterien und Pilzen zu vermeiden, die den Kolibris schaden könnten.
Die Taube als Vorbild für Anpassung
Ein bekanntes Beispiel für eine Vogelart, die sich erfolgreich an das Leben in Städten angepasst hat, ist die Stadttaube (Columba livia). Tauben sind weltweit in urbanen Räumen zu finden und nutzen die von Städten gebotenen Nistplätze und das Nahrungsangebot. Sie existieren in städtischen Umgebungen, ohne die menschlichen Aktivitäten wesentlich zu beeinträchtigen – ein klares Beispiel für Kommensalismus.
Ursprünglich bewohnte Columba livia Felsregionen in Europa, Asien und Nordafrika. Vor mehr als 5.000 Jahren wurde sie jedoch domestiziert, sowohl als Nahrungsquelle als auch wegen ihres ausgezeichneten Orientierungssinns, der sie zum Überbringen von Nachrichten prädestinierte. Infolgedessen wurden viele Tauben in neue Lebensräume entlassen, von denen einige die Städte als neuen Lebensraum wählten und Teil der urbanen Fauna wurden.
Heute gehören sie zu den häufigsten Vogelarten weltweit und illustrieren eindrücklich, wie Tierarten von der Nähe zum Menschen profitieren können.
Fakten zum Anna-Kolibri und seiner Anpassung
- Art: Anna-Kolibri (Calypte anna)
- Heimat: Westliches Nordamerika, zunehmend in städtischen Gebieten.
- Besonderheit: Männchen haben eine leuchtend rosarote Kehle und Krone.
- Evolutionäre Anpassung: Längere, größere Schnäbel (bei städtischen Populationen) zur Nutzung von Futterspendern.
- Zeitrahmen der Anpassung: Signifikante Veränderungen innerhalb von ca. 20 Jahren (ca. 10 Generationen).
- Vergleichsart: Stadttaube (Columba livia) als Beispiel für Kommensalismus.
- Futterspender: Erste dokumentierte Nutzung um 1928; wichtig ist regelmäßige Reinigung.
- Studienmethodik: Analyse von Museumsexemplaren, Sichtungsdaten (1938-2019), alten Zeitungsanzeigen, Computermodellierung.

Tom ist der Hauptautor von beachtenswert.info und freut sich immer über Feedback. Mit journalistischer Erfahrung seit 2012, als Buchautor aktiv und mit großer Passion für das Weltenbummeln (mit Betonung auf Bummeln.)