Geister Tempel in China.

Der Glaube an Geister ist tief in der chinesischen Kultur und Folklore verwurzelt und reicht bis in die Shang-Dynastie (1600 – 1046 v. Chr.) zurück. Geistergeschichten waren ein Teil der mündlichen Überlieferungen, bevor sie in der Literatur ihren festen Platz fanden. Auch heute noch sind Geistergeschichten in China und in der gesamten südostasiatischen Region beliebt.

Der Glaube an Geister im alten China

In der Antike wurden Geister in China sehr ernst genommen. Der Tod war nicht das Ende, sondern der Beginn einer Reise ins Jenseits. Diese Reise begann mit der Überquerung einer Brücke, bei der die Seele des Verstorbenen gerichtet wurde. Wer ein tugendhaftes Leben geführt hatte, durfte weiterziehen, während die Seelen derjenigen, die Böses getan hatten, von der Brücke in die Hölle stürzten.

Die buddhistische Lehre besagt, dass Seelen in einem der sechs Reiche – Götter, Halbgötter, Menschen, Tiere, Geister und Hölle – wiedergeboren werden. Konfuzianer hingegen glaubten, dass die tugendhaften Ahnen bei den Göttern wohnten und um Hilfe oder Schutz angerufen werden konnten.

Die Bedeutung der Bestattungsriten

Die Riten rund um die Bestattung sind seit der Zeit des Alten China reglementiert. Die erste Etappe dieser Reise nach dem Tod war das Begräbnis. Fehlerhafte Bestattungsriten konnten die Seele des Verstorbenen unzufrieden machen und sie dazu veranlassen, als Geist zurückzukehren. Daher war es von größter Bedeutung, dass die Bestattungsriten korrekt und nach den traditionellen Vorschriften durchgeführt wurden.

Die Riten begannen mit der sorgfältigen Auswahl des Begräbnisortes. Dieser musste in Harmonie mit den Prinzipien des Feng Shui stehen, um sicherzustellen, dass die Energieflüsse (Qi) sowohl für die Lebenden als auch für die Toten günstig waren. Familienangehörige mussten die Götter und örtlichen Geister durch Rituale und Opfergaben um Erlaubnis bitten, bevor sie ein Grab ausheben durften.

Ein wesentlicher Bestandteil war die Erstellung eines legalen Vertrags, in dem der Kauf des Grabplatzes von den Göttern und Geistern dokumentiert wurde. Dieser Vertrag enthielt den Namen, Titel und das Todesdatum des Verstorbenen, die genauen Maße des Grabplatzes, den gezahlten Preis und die Unterschriften von Zeugen. Der Vertrag wurde ins Grab gelegt, zusammen mit symbolischem Geld, das durch das Verbrennen von Papiergeld an die Geister übergeben wurde.

Das eigentliche Begräbnis war ein komplexes Ritual, das oft von einem Taoisten oder einem buddhistischen Priester geleitet wurde. Diese religiösen Führer rezitierten Gebete und Mantras, um den Weg der Seele ins Jenseits zu ebnen und böse Geister fernzuhalten.

Grabbegleitgaben waren ein weiterer wichtiger Bestandteil der Bestattung. Diese Gaben bestanden aus den Lieblingsgegenständen und -nahrungsmitteln des Verstorbenen, um sicherzustellen, dass er im Jenseits gut versorgt war. Die Vorstellung war, dass der Verstorbene diese Gegenstände in der anderen Welt nutzen würde, um ein komfortables Leben zu führen.

Verbindung zum Ahnenkult

Der Glaube an Geister ist eng mit dem Ahnenkult in China verbunden, der eine zentrale Rolle in der Kultur spielt. Der Ahnenkult basiert auf der Überzeugung, dass die Seelen der Verstorbenen weiterleben und das Wohl der Lebenden beeinflussen können. Daher ist es wichtig, die Ahnen zu ehren und ihnen Respekt zu erweisen, um ihr Wohlwollen zu sichern und Unglück zu vermeiden.

In vielen chinesischen Haushalten gibt es Altäre, auf denen Ahnenbilder und Gedenktafeln aufgestellt sind. Diese Altäre dienen als Ort für regelmäßige Opfergaben und Gebete. Zu besonderen Anlässen wie dem Qingming-Fest und dem Geisterfest werden zusätzliche Rituale durchgeführt, um die Ahnen zu ehren. Opfergaben umfassen häufig Speisen, Getränke und symbolische Gegenstände wie Papiergeld, das verbrannt wird, um den Ahnen im Jenseits materiellen Wohlstand zu verschaffen.

Der Ahnenkult ist auch in der Architektur und dem sozialen Leben präsent. Traditionell sind die Häuser so gestaltet, dass sie einen Ahnenaltar im zentralen Raum haben. Familienmitglieder kommen zusammen, um Rituale durchzuführen, die das Band zwischen den Lebenden und den Verstorbenen stärken. In ländlichen Gebieten Chinas gibt es oft Familiengräber, die regelmäßig besucht und gepflegt werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Ahnenkults ist die Vorstellung, dass die Ahnen als Schutzgeister fungieren. Sie können den Lebenden Rat und Unterstützung bieten, solange sie angemessen geehrt werden. Vernachlässigung oder Respektlosigkeit gegenüber den Ahnen kann hingegen zu Geistererscheinungen führen, bei denen die Seelen der Verstorbenen zurückkehren, um ihre Missachtung zu rächen.

Die zwei Seelenteile: Po und Hun

Nach chinesischem Glauben besteht die Seele aus zwei Teilen: dem Po und dem Hun. Der Po ist der yin-Aspekt der Seele, der mit Dunkelheit, Wasser und Erde verbunden ist. Er repräsentiert die tierischen Instinkte und Bedürfnisse eines Menschen.

Der Hun ist der yang-Aspekt der Seele, der mit Licht, Feuer und Himmel verbunden ist und die Intelligenz und Vernunft eines Menschen steuert. Beide Teile arbeiten zusammen, um das Leben zu ermöglichen. Wenn jedoch die Bestattungsriten nicht richtig durchgeführt wurden, konnten beide Teile zurückkehren und Probleme verursachen.

Arten von Geistern

Es gibt verschiedene Arten von Geistern in der chinesischen Folklore, von denen einige besonders bekannt und gefürchtet sind:

  1. Hungry Ghosts (餓鬼, èguǐ): Diese Geister sind die Seelen von Menschen, die in ihrem Leben sehr gierig waren. Sie werden oft mit riesigen Mägen und winzigen Mündern dargestellt, was symbolisiert, dass sie unstillbaren Hunger leiden. Sie können erscheinen, um nach Nahrung zu bitten, und bringen Unglück, wenn sie nicht zufrieden gestellt werden. Das jährliche Geisterfest, auch als Hungry Ghost Festival bekannt, wird abgehalten, um diese Geister zu besänftigen.
  2. Water Ghosts (水鬼, shui gui): Diese Geister sind die Seelen von Menschen, die ertrunken sind und deren Körper nie geborgen wurden. Sie lauern in Gewässern und versuchen, Lebende zu ertränken, um ihren Platz einzunehmen. Talismane und Amulette werden oft getragen, um sich vor ihnen zu schützen.
  3. Hanged Ghosts (吊死鬼, diào sǐ guǐ): Diese Geister sind die Seelen von Personen, die durch Erhängen gestorben sind, entweder durch Selbstmord oder Hinrichtung. Sie erscheinen oft mit langen, hängenden Zungen und versuchen, Lebende dazu zu bringen, sich ebenfalls zu erhängen, um selbst wiedergeboren zu werden.
  4. Female Ghosts (女鬼, nu gui): Diese Geister sind die Seelen von Frauen, die Opfer von Ungerechtigkeit oder Missbrauch waren und oft Selbstmord begangen haben. Sie erscheinen in weißer Kleidung und suchen Rache an Männern.
  5. Vengeful Ghosts (冤鬼, yuan gui): Diese Geister kehren zurück, um Rache für ihren gewaltsamen oder ungerechten Tod zu nehmen. Sie können keinen Frieden finden, bis ihr Tod gerächt ist.
  6. Jiangshi (僵尸): Diese „hüpfenden“ Geister sind eine Art von Zombie, der die Lebenskraft von Menschen stiehlt. Sie sind steif und bewegen sich oft hüpfend fort. Diese Geister müssen mit Amuletten und Zaubersprüchen abgewehrt werden.
  7. Chang Gui (伥鬼): Diese Geister sind Seelen von Menschen, die von Tigern getötet wurden. Statt Rache an dem Tier zu suchen, dienen sie dem Tiger und helfen ihm, neue Opfer zu finden.

Geister im modernen China

In der modernen chinesischen Gesellschaft gibt es immer noch viele Menschen, die an Geister glauben. Laut einer Umfrage von Pew Research aus dem Jahr 2018 glauben etwa zwei von fünf Chinesen an die Existenz übernatürlicher Phänomene.

Dies spiegelt sich in verschiedenen Ritualen und Festen wider, wie dem Qingming-Fest (auch als Todengedenkgest oder Tomb-Sweeping Day bekannt), bei dem die Gräber der Vorfahren gereinigt und Opfer dargebracht werden.

Geister in den Städten

Interessanterweise hat der Geisterglaube in den Städten Chinas nicht abgenommen, sondern sich möglicherweise sogar verstärkt. In den städtischen Gebieten gibt es viele verlassene Gebäude und Stadtteile, die als Spukorte gelten.

Eines der bekanntesten Beispiele ist das Chaonei No. 81 in Peking. Dieses alte Gebäude, das ursprünglich in den 1920er Jahren erbaut wurde, ist heute ein verfallenes Herrenhaus, das von vielen als das am meisten heimgesuchte Haus in Peking betrachtet wird. Es gibt zahlreiche Berichte über seltsame Geräusche, unerklärliche Erscheinungen und das plötzliche Verschwinden von Personen, die das Gebäude betreten haben. Die Legenden besagen, dass eine Frau in diesem Haus Selbstmord beging und ihre rastlose Seele immer noch dort spukt.

Ein weiteres bekanntes Beispiel ist die Geisterstadt Fengdu am Jangtse-Fluss. Diese antike Stadt, die als „Stadt der Geister“ bekannt ist, hat eine lange Geschichte und ist ein beliebtes Touristenziel. Fengdu ist berühmt für seine zahlreichen Tempel und Statuen, die Geister und Dämonen darstellen. Der Legende nach ist Fengdu der Ort, an dem die Seelen der Verstorbenen gerichtet werden, und die Stadt ist angeblich voller Geister, die darauf warten, ins Jenseits überzutreten.

Geschichten über Geister, die in Wohnungen spuken oder Menschen in den Selbstmord treiben, sind weit verbreitet. Dies zeigt sich auch in der Immobilienbranche, wo Wohnungen, in denen ungewöhnliche Todesfälle stattgefunden haben, oft zu niedrigeren Preisen verkauft werden.

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Der Einfluss von Geistern auf den Alltag

Der Geisterglaube beeinflusst viele Aspekte des täglichen Lebens in China. Es gibt zahlreiche Tabus und Vorsichtsmaßnahmen, die beachtet werden, um Geister zu vermeiden.

Zum Beispiel wird davon abgeraten, abends Wäsche aufzuhängen, da Geister die Kleidung anprobieren könnten, was Unglück bringt. Ebenso sollten Schuhe niemals mit der Spitze zur Tür gestellt werden, da dies Geister anziehen könnte.

Feste und Rituale

Die wichtigsten Feste, die mit dem Glauben an Übersinnliches verbunden sind, sind das Qingming-Fest und das Hungry Ghost Festival. Beim Qingming-Fest besuchen die Menschen die Gräber ihrer Vorfahren, um sie zu reinigen und Opfergaben darzubringen.

Das Hungry Ghost Festival hingegen findet im siebten Monat des Mondkalenders statt und dient dazu, die umherirrenden und hungrigen Geister zu besänftigen. Während des Festivals werden Altäre aufgestellt und mit Früchten und Kuchen beladen, um die Geister zu füttern. Es gibt auch viele Tabus während dieses Monats, wie das Vermeiden von nächtlichen Aktivitäten und das Tragen von High Heels, um Geister nicht zu verärgern.

Geister und Architektur

Interessanterweise hat der Glaube an Geister auch die Architektur in China beeinflusst. Viele chinesische Häuser haben eine sogenannte „Schattenwand“ vor der Haustür, um Geister zu verwirren, die nur in geraden Linien gehen können.

Nicht nur die Häuser, sondern auch die Straßenplanung wurde von diesem Glauben beeinflusst. Viele Straßen sind oft kurvenreich gebaut, um Geister fernzuhalten. Es wird angenommen, dass Geister nur in geraden Linien reisen und Schwierigkeiten haben, Kurven zu folgen, und daher an den gewundenen Straßen scheitern. Diese Praxis ist besonders in ländlichen Gegenden zu beobachten, wo alte Traditionen und Überzeugungen stärker verankert sind.

Fazit

Der Glaube an Geister ist ein fester Bestandteil der chinesischen Kultur und Mythologie. Von alten Legenden bis zu modernen Geschichten prägt dieser Glaube das Verhalten und die Rituale der Menschen.

Ob man nun an Geister glaubt oder nicht, es ist unbestreitbar, dass sie einen wichtigen Platz im kulturellen Erbe Chinas einnehmen und weiterhin die Fantasie und das Leben der Menschen beeinflussen.

Weiterführende Quellen